Von all den Objektiven die ich besitze, ist das EF 600mm f/4 L IS II definitiv das meistbenutzte und auch mein Lieblingsobjektiv. Zum einen da die Schärfe auch mit Telekonverter hervorragend ist, zum anderen wegen der Freistellungsmöglichkeiten und dem Bildlook durch die Offenblende f/4. Mit der EF III bzw. der RF Variante hat Canon das Gewicht noch gesenkt, was auf jeden Fall willkommen ist. Doch was mich am meisten stört, ist der manchmal etwas mühsame Konverterwechsel, durch den ich auch schon einige Fotos verpasst habe. Als Nikon das Nikkor Z 600/4 mit integriertem Telekonverter vorgestellt hat, war für mich klar, dass dieses (zumindest auf dem Papier) mein absolutes Traumobjektiv sein würde. Nun hatte ich die Gelegenheit, dieses Objektiv an der Nikon Z9 zu testen und möchte von meinen Praxiserfahrungen berichten.
Specs & Handling
Wenn man von einem Canon EF 600/4 L IS II kommt, dann fällt einem auf wie „lächerlich“ leicht das Nikon Z600/4 TC mit seinen 3260g ist. Ist man sich ein neues Sony 600/4 oder Canon RF 600/4 gewohnt, so ist es minimal schwerer – allerdings hat man den 1.4x Konverter ja eingebaut. Rechnet man diesen bei Sony und Canon noch dazu, so stellt sich heraus, dass die Sony Kombination am leichtesten ist, das Nikon ist ca. 50g schwerer und die Canon Kombination nochmal ca. 50g schwerer. Ich bezweifle, dass irgendjemand diese Unterschiede bei der Bedienung feststellen kann. Beim Packmass schlägt es das Canon jedoch deutlich, was gerade im Rucksack einen wichtigen Unterschied machen kann. Zudem begrüsse ich auch die (verglichen mit Canon) kürzere Sonnenblende.
Das Objektiv hat eine Naheinstellgrenze von 4.3m, was in dieser Klasse heutzutage üblich ist. Für Makros wird es wohl niemand einsetzen und ein maximaler Abbildungsmasstab von 1:7 reicht für die Vogelfotografie in der Regel (zumindest für mich) aus.
Auf der linken Seite gibt es nur wenige Schalter: Konkret sind das der AF/MF Schalter und der Fokusbegrenzer. Letzterer kennt leider nur die Einstellung „Full“ oder „10m-unendlich“. Hier hätte ich mir definitiv eine dritte Einstellung für die Nähe gewünscht – idealerweise eine, die sich leicht mit der fernen Einstellung überschneidet, z.B. 4.3m – 15m. Oder noch besser, man könnte die Distanz in der Kamera festlegen. Dies ist zum Beispiel beim Bildstabilisator der Fall, weshalb man für diesen auch keine Tasten oder Schalter am Objektiv findet.
Rechts dominiert natürlich der eingebaute Telekonverter, der sich (auch im laufenden Betrieb) mit einem Finger ein- und ausschwenken lässt. Man kann diesen auch verriegeln (bei 1x oder 1.4x), dies habe ich jedoch nie benötigt.
Gleich vor dem eingebauten Telekonverter befindet sich noch der Fokus-Preset (Fokus Memory) Knopf. Da dieser durch den Telekonverter etwas weiter nach vorne gewandert ist, kann man ihn nicht ganz so leicht bedienen wie beim Z400/4.5 (zumindest gilt das für meine kleinen Hände). Man gewöhnt sich aber daran und ich finde die Positionierung nach wie vor viel besser als beim Canon 600/4.
Das Objektiv hat zudem noch die Lens-Fn 1 und Lens-Fn 2 Tasten, welche ebenfalls in der Kamera konfiguriert werden können. Zudem hat das Objektiv noch einen Funktionsring. Ich hatte diesen Testweise mit den ISO belegt, bin damit aber nicht warm geworden. Für meinen Geschmack geht er zu flüssig und ich fand es schwierig, die ISO präzise einzustellen (soll heissen, ich habe manchmal Werte übersprungen oder ihn zu langsam gedreht). Für einmal finde ich hier die Umsetzung von Canon besser, welche sich eher wie ein Einstell- und nicht ein Fokusring anfühlt.
Apropos Fokusring: Das ist mein wohl grösster Kritikpunkt an diesem Objektiv. Er sitzt nämlich viel zu nahe an der Kamera, als dass man ihn bei der Freihandnutzung gut bedienen könnte. Ich habe mit zwei Naturfotografen gesprochen, die das 400/2.8 TC haben, und diese haben es bei jenem Objektiv ebenfalls bemängelt. Wenn man ab Stativ fotografiert mag das ja eine untergeordnete Rolle spielen, aber freihand muss man sich schon stark verrenken. Dies hat leider mehr als nur einmal zu einem verpassten Foto geführt.
Bildqualität
Wenn man so viel Geld für ein Objektiv ausgibt, dann erwartet man auch hervorragende Bildqualität. Genau das liefert das Nikkor Z 600/4 TC auch. Sowohl Schärfe, Bokeh, Flares im Gegenlicht sehen sehr gut aus und ich konnte auch keine merklichen Chromatischen Abberationen feststellen.
Autofokus
Mit diesem Abschnitt tue ich mich etwas schwer. Die Unterschiede, die ich im Vergleich zu meinem Canon bemerkt habe, rühren wohl eher von den Unterschieden zwischen der R5 und Z9 als zwischen den beiden Objektiven an sich. An der Z9 konnte ich auch das Z 400/4.5 intensiv testen. Dabei hatte ich den Eindruck, dass das Z 600/4 die bessere AF Leistung zeigt. Beide Objektive fokussieren aber sehr schnell und quasi lautlos.
Bildstabilisator
Hier wird es wieder einfacher: Der Stabilisator ist sehr gut und es macht unglaublich Spass, freihand mit dem Objektiv zu fotografieren. Auch fürs Filmen hat dies enorme Vorteile. Mit ist lediglich aufgefallen, dass das Sucherbild einen kleinen „Ruck“ macht, wenn man mit dem Fotografieren beginnt (im Modus „normal“) – meistens habe ich das jedoch kaum wahrgenommen. Der Betrieb an sich ist nochmal leiser als bei meinem Canon und der Stabilisator funktioniert tadellos. Für mich war es also ein riesiger Fortschritt, man muss aber auch bedenken, dass ein neues RF600/4 vermutlich eine ähnlich gute Leistung wie das Nikkor gezeigt hätte.
Eingebauter Telekonverter
Tja, was gibt es hier noch zu sagen? Diese Funktion ist es, die das Objektiv von der Konkurrenz abhebt. Und Nikon hat das perfekt umgesetzt. Egal ob freihand oder ab Stativ, man kann den Konverter ganz leicht und schnell aktivieren und deaktivieren. Im Sucher der Z9 wird einem zudem angezeigt, ob der Konverter aktiviert ist. Sowohl von der Bildqualität als auch vom Autofokus habe ich in der Praxis kaum einen Unterschied zwischen aus- und eingeschaltetem Konverter feststellen können.
Noch mehr Brennweite?
Man kann natürlich noch einen externen 1.4x Konverter zwischen Objektiv und Kamera schrauben. So verwandelt man das Objektiv in ein 840mm f/5.6 & 1200mm f/8. Bei 1200mm fokussierte die Kamera immer noch recht zuverlässig, aber die Bildqualität liess bei Offenblende doch etwas nach, ist aber immer noch durchaus brauchbar. Zudem muss man bei so viel Brennweite immer eine Reihe anderer Faktoren (z.B. Hitzeflimmern) beachten.
Fazit
Das Nikkor Z600/4 TC VR S ist ein absolutes Traumobjektiv. Der eingebaute Konverter ist ein Game-Changer und auch sonst hat Nikon bei dem Objektiv fast alles richtig gemacht. Nur die Positionierung des Fokusrings empfinde ich nicht als ideal. Natürlich bleibt auch der stolze Preis von 18‘500 Franken. Hier muss jeder selbst entscheiden, ob es ihm/ihr das Wert ist.
Abschliessend hoffe ich, dass Canon und Sony nachziehen und in den kommenden Jahren ebenfalls einschwenkbare (!) Telekonverter in ihre Superteleobjektive integrieren.
Vielen Dank an Nikon Schweiz, welche mir das Objektiv für 10 Tage zum Testen zur Verfügung gestellt haben.
One response
Lieber Fabian,
da hast du einen tollen Erfahrungsbericht veröffentlicht: sachlich, detailliert, praxisbezogen, informativ und leider auch mit einer fatalen Erkenntnis 😉
Ich habe mir vor 4 Monaten eine Z9 und das Nikkor 400 mm f4,5 und 2 Telekonvertern gekauft und mich mit großer Freude an der Vogelfotografie versucht. Inspiriert hat mich dazu vor allem dein YouTube-Kanal und die Bilder in deinem Portfolio, die m.E. diesen fantastischen, einzigartigen Look haben, der entsteht, wenn ein Fotograf sein Handwerk versteht und mit hochwertigem Equipment arbeitet.
Inzwischen musste ich feststellen, dass ich die meisten Bilder mit Konverter bei 560 bzw 800 mm mache. Nun hat dein Bericht den Wunsch nach diesem Nikon-Traumobjektive für Vogelfotografen kräftig befeuert. Leider bildet der sehr sportliche Preis (in Deutschland 17300 €) noch einen großen Anschaffungswiderstand 🙁
Vielleicht übe ich erst nochmal ein wenig und lerne noch etwas von deinem Kanal, bevor … 😉
Herzliche Grüße aus dem Taunus
Claus Endreß